Anne-Christine Brehm, Einblicke in die Freiburger Münsterbauhütte

Am 14. Februar 2024 hielt die habilitierte Architektin Anne-Christine Brehm, seit 2021 Freiburger Münsterbaumeisterin, einen gut besuchten Vortrag in deutscher Sprache. Sie gab einen Überblick über die Geschichte der Freiburger Münsterbauhütte seit dem Mittelalter, unter Berücksichtigung der Beziehungen zu Straßburg. Denn zwischen den Freiburger und Straßburger Bauhütten bestehen und bestanden viele Verbindungen und Gemeinsamkeiten. Es handelt sich um die beiden einzigen Bauhütten nördlich der Alpen, die seit dem Mittelalter durchgängig in Betrieb sind.

Werkzeug (@ Freiburger Münsterbauverein)

Seit Fertigstellung des Freiburger Münsters im Jahr 1536 führt die Hütte in Freiburg – wie auch in Straßburg – Reparaturen und Instandsetzungen durch. Sie stellte auch Ausstattungsstücke her, wie etwa den Lettner und die Kanzel im 16. Jahrhundert, und neugotisches Mobiliar bei der Einrichtung der Diözese Freiburg im 19. Jahrhundert. Ihr Hüttenzeichen ist dem Straßburger Zeichen sehr ähnlich, nur dass die beiden Schenkel leicht gebogen sind. Man findet es z.B. auf den Freiburger Münsterturm aufgemalt, eingemeißelt in Grenzsteine der Steinbrüche, oder als Beizeichen neben den Steinmetzzeichen auf Quadern im Mauerwerk.

Die zahlreichen Verbindungen zwischen beiden Bauhütten erscheinen zunächst erstaunlich, da Freiburg nicht im Straßburger Bistum lag, sondern dem mächtigen Konstanzer Bistum angehörte. Doch die Bande zwischen den Bürgerschaften waren sowohl politisch (Städtebund mit Basel im 14. Jh.) als auch im Handel eng. In beiden Städten ging die Bauherrschaft schon im 13. Jahrhundert auf die Stadtverwaltung über. Die Lage am Oberrhein verband über die kirchlich-institutionelle Grenzen hinweg. Man findet viele identische Steinmetzzeichen. Eine in Nürnberg aufbewahrte Bauzeichnung vom Freiburger Münsterturm zeigt auf ihrer Rückseite die Anlage einer Zeichnung für das Rosen-Geschoss der Straßburger Westfassade. Die beiden Freiburger Maßwerk-Rosen im Langhaus werden als ‚Vorläufer‘ der großen Rose in Straßburg interpretiert. Der um 1324 fertiggestellte filigrane Turmhelm erweist sich ebenfalls als Modell für die Bauten der Region. Das Figurenprogramm im Turmunterbau von Freiburg ist dem der Straßburger Portale ähnlich: Ekklesia und Synagoge, Kluge und Törichte Jungfrauen. Nur die Sieben Freien Künste sind eine Freiburger Besonderheit. In romanischer Zeit handelte es sich offenbar um wechselseitige Einflüsse am Oberrhein. Mit dem Bau des gotischen Straßburger Münsters übernahm dieses dann eine Leitfunktion.

Im Vergleich zur ‚großen Schwester‘, dem Straßburger Oeuvre Notre Dame, ist die Freiburger Bauhütte, also die in einem Fachwerkhaus östlich des Chors untergebrachte Werkstatt, sowie der steinerne Verwaltungsbau daneben, das ‚Haus‘ genannt, jedoch kleiner. Doch die Einrichtungen waren und sind immer noch ähnlich organisiert. Den Kern bilden der Werkmeister (heute Architekt), sein Parlier (Polier), die Steinmetze, der Zimmermann und der Schmied. Die beiden letztgenannten Stellen sind in Freiburg heute nicht mehr vertreten, diese Aufgaben werden extern vergeben, wie auch Glasarbeiten und Farbbefundungen durch Restauratoren. Die Arbeiten im Innenraum unterstehen dem erzbischöflichen Bauamt.

Je nach Bauaufgabe waren in Freiburg im Mittelalter zehn bis fünfzehn Steinmetzen angestellt, dazu ein bis sieben Knechte. Seit dem frühen 17. Jahrhunderts schrumpfte die Anzahl der Beschäftigten. Dem Münsterfabrikfond fehlte es an Einnahmen. Der Stau an nicht ausgeführten Arbeiten war so hoch, dass 1890 der Münsterbauverein gegründet wurde, der damals wie heute durch Spenden und Nachlässe finanziert wird. Besitzer des Münsters ist de facto die Kirchengemeinde. Ab 1910 ließ sich die Bauhütte mit den Werkstätten und der Verwaltung am Schlossbergring nieder, wo sie sich heute noch befindet. Dort können auch die Sammlungen besichtigt werden, besonders am Tag des offenen Denkmals, und in der Freiburger Museumsnacht.

Die aktuellen Aufgaben und Herausforderungen sind dieselben wie in Straßburg. Die Gebäude müssen instandgehalten werden. Die Materialwahl hat höchste Bedeutung, da hier wie dort Schäden in hohem Maße an Steinen auftreten, die seit dem 18. Jahrhundert ausgetauscht wurden. In Freiburg ist der verwendete mittlere Buntsandstein zwar solide, aber zu grob für feine Bildhauerarbeit. Der Plattensandstein, den man im 19. Jahrhundert wählte, enthält einen hohen Tonanteil, zersetzt sich leicht und ist dadurch z.T. absturzgefährdet. Die materiellen Probleme in Straßburg und Freiburg sind also dieselben, doch die denkmalpflegerischen Ansätze sind verschieden: Erhalt der Originalsubstanz als oberstes Ziel, Beschränkung auf Absicherungsmaßnahmen in Freiburg vs. Wiederherstellung der ursprünglichen Form bei maximalem Erhalt der Originalsubstanz in Straßburg. Auch bei den eingesetzten technischen Mitteln gibt es Unterschiede: in Freiburg wird seit den 60er Jahren mit Druckluftmeißel gearbeitet, wenn auch alle Steinmetze je nach Arbeitsschritt auf ihr traditionelles Werkzeug zurückgreifen können und alle Arbeitsschritte vom Rohblock bis zur Form manuell beherrschen. Zurzeit läuft außerdem ein Experiment mit einem weitgehend automatisierten Steinschnitt für eine Strebepfeilerfiale. Die Mannschaft ist diesen neuen Methoden gegenüber offen, auch weil so viel Arbeit am Münster dringlich ansteht. Seit 2023 dürfen die Steinmetze ihre eigenen Zeichen auf alle von ihnen behauenen Quader setzen, während man in Straßburg die ursprünglichen Steinmetzzeichen auf die ersetzten Teile kopiert.

In der anschließenden belebten Diskussion ging es um verschiedene Details. So konnte man beispielsweise erfahren, dass am Freiburger Münster alte romanische Wasserspeier in den gotischen Chorneubau eingemauert wurden. Die Speier am Chor sind noch in Funktion. Man findet in gotischer Zeit im 13. Jahrhundert zunächst eher realistische Tierdarstellungen, später dann eher Fabelwesen. Im 20. Jahrhundert waren die Steinmetze dann weiterhin gestalterisch tätig, z.B. zeigt ein Speier aus den 60er Jahren einen Kopf mit Barrett. In Straßburg ist nur noch ein einziger Wasserspeier original am Münster erhalten.

Die unterdimensionierten Fundamente in Freiburg haben trotz Erdbeben nie Probleme gemacht. Möglicherweise spielt der Dreisam-Schotter im Untergrund dabei eine wirksame Rolle. Insgesamt ist das Freiburger Münster auch viel weniger hoch als das Straßburger, dessen Höhe im Turmbereich nicht von Anfang an vorgesehen war.  Die Zusammenarbeit zwischen den beiden Münsterbauhütten wird gepflegt und der Austausch bezüglich technischer Herausforderungen und Neuerungen wird beiderseits als Bereicherung angesehen.

Sabine Mohr

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