Bamberger Reiter

Möge dein schwebender Traum
sich auf ewig in den unwilligen Stein graben

Th. Gautier Die Kunst.

Der Ritter, der seit dem 13. Jahrhundert im Bamberger Dom zu sehen ist, ist das Wahrzeichen der Stadt. Wie lässt sich das erklären?

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Zunächst einmal das ästhetische Motiv. Sehen Sie ihn sich an, diesen jungen König oder Kaiser zu Pferde, mit schlankem Oberkörper, geradem und stolzem Blick, einem schmalen und feinen Gesicht und kunstvoll gelocktem Haar, das unter seiner Krone hervorschaut. Die männliche Schönheit eines Mannes in der Pracht seiner Jugend, dem nichts etwas anzuhaben vermag, weil seine Füße fest im Steigbügel stecken.

Zweitens der Reiz des Rätsels. Wer ist diese Figur? Die einen sehen in ihr aufgrund des Baldachins über ihr einen Heiligen, insbesondere einen germanischen König oder Kaiser, der von der katholischen Kirche geheiligt wurde. Andere denken aufgrund des mit Troddeln besetzten Mantels an den Messias, der am Ende der Zeiten auf einem weißen Pferd und ohne Waffen auf die Erde zurückkehrt, wie es in der Offenbarung des Johannes angekündigt wird. Manche interpretieren ihn als einen der Heiligen drei Könige, der einzige der Dreiergruppe, die einst den Lettner der Kathedrale schmückte und inzwischen verschwunden ist. Pferd, Krone und Baldachin sprechen für diese These. Und in seinem in die Ferne gerichteten Blick ist der Weise aus dem Morgenland zu sehen, der dem vom Stern gewiesenen Weg folgt, und Bethlehem wäre die Stadt, die auf dem Baldachin dargestellt ist.
Nach einer eher symbolischen Lesart stellt er die Welt dar, wie sie im Mittelalter verstanden wurde. Der Dämon in Form einer Blattmaske rechts und unten auf dem Sockel würde die höllische Welt darstellen, über der sich die Pflanzenwelt befindet, die durch das dekorative Laubwerk dargestellt wird. Darüber würde sich der Mensch befinden, während der Baldachin auf das himmlische Jerusalem verweisen würde. Wie man sieht, und ganz zu schweigen von den Wahnvorstellungen der Nazis, ist das Rätsel nicht annähernd gelöst.

Und schließlich Merchandising-Produkte. Das jährlich in Bamberg stattfindende Kurzfilmfestival belohnt den Gewinner mit einer Schokoladenstatuette. Im Jahr 2003 gab die Deutsche Post eine Briefmarke heraus, auf der er abgebildet war. Im Jahr 2012 verkaufte das Diözesanmuseum zur Feier des 1000-jährigen Bestehens des Doms einen Ritter in der Play-Mobil-Version, der in den Farben bemalt war, die angeblich einst die seinen waren. Und 2021 wurde sogar ein Kriminalroman veröffentlicht, in dem die Statue angeblich gestohlen wurde.

Dies alles sind Enthüllungen von unserem Reiseleiter in Bamberg während unserer jährlichen Studienreise im Mai dieses Jahres. Man siehe, wie interessant es ist, an unseren Reisen teilzunehmen… !

Francis Klakocer
Übersetzung: Sabine Mohr
Ill.: Matthias Derleth — Photographie personnelle, Domaine public

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